Provenienzforschung zu NS-Raubgut im Museum am Rothenbaum
Erste systematische Überprüfung ausgewählter Bestände
15. Juli 2021
Inhalt dieses auf zwei Jahre angelegten Provenienzforschungsprojekts ist die systematische Überprüfung zweier ausgewählter Bestandsgruppen in den Objektsammlungen des Museums am Rothenbaum, ausgehend von einigen bereits als Verdachtsfall auf NS-verfolgungsbedingten Entzug eingestuften Beständen: Systematisch überprüft werden sammlungsübergreifend Objektüberweisungen öffentlicher Einrichtungen nach 1945 sowie Judaica-Objekte. Diese Bestände und weitere bereits bestehende Verdachtsfälle sollen nach Aktenlage und auf Grundlage weiterer Dokumentation recherchiert, dokumentiert und im Ergebnis belegt werden. Untersucht werden Sammlungs- und Erwerbsgeschichte sowie zu einzelnen Stücken Objektgeschichte und spezifische Provenienzmerkmale. Im ersten Projektjahr lag der Schwerpunkt auf einer strukturellen Einordnung der Bestände sowie Recherchen zu Kontext und in Archivbeständen, zunächst im Archiv des MARKK und im Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg.
In die Bestandsgruppe der Überweisungen aus öffentlichen Einrichtungen nach 1945 fällt ein Konvolut Silberobjekte aus jüdischem Besitz, die 1939 in Hamburg zwangsveräußert werden mussten und 1940 in Teilen von der Stadt angekauft wurden. Im Jahr 1961 überwies die Hamburger Finanzbehörde noch in Hamburg verbliebene Bestände an verschiedene Hamburger Museen. Der Bestand im Museum am Rothenbaum umfasst 44 dieser Objekte, die der Europa-, Westasien- und Amerikas-Abteilung zugeordnet sind. Für diese Objekte werden nun Provenienzmerkmale wie Stempel, Monogramme und Inschriften dokumentiert und an die Datenbank Lost Art gemeldet. Die heute in der Sammlung befindlichen Judaica werden unabhängig vom Erwerbungszeitraum auf ihren Eingangsstatus wie Ankauf, Schenkung oder Leihgabe sowie Vorbesitzer:innen und Überbringer:innen hin überprüft. Die für diese Kategorie identifizierten Objekte stammen zum Teil aus dem Ethnografika- und Kunsthandel sowie aus institutionellem Besitz, überwiegend jedoch aus privatem Besitz. Auch für diese Objekte erfolgt eine Erfassung der Provenienzmerkmale und sukzessive Meldung an Lost Art.
Unter den bereits als verdächtig eingestuften Objekten konnte ein Fall bereits im ersten Jahr für das Projekt abschließend recherchiert, eingeordnet und dokumentiert werden: 1941 erwarb das damalige Museum für Völkerkunde über eine Versteigerung des im Hamburger Hafen von der Gestapo konfiszierten Übersiedlungsguts von Johanna Ploschitzki (1887 Berlin – 1981 Santa Monica, CA, USA) – nach Emigration und Wiederverheiratung in den USA Hansi Share – sieben ostasiatische Objekte. 1951 wurden im Ergebnis eines mehrjährigen und für Hansi Share aufwendigen Rückerstattungsverfahrens vom damaligen Museum für Völkerkunde sechs dieser Objekte sowie eine Sammlung Bücher zurückgegeben. Nicht rückerstattet wurde der Kopf einer Buddha-Skulptur (Inv. Nr. 41.36:1) aus dem Besitz Hansi Shares. Sie verblieb im Depot, bis im Herbst 2019 Ausstellungskuratorinnen bei Objektsichtungen auf diesen Bestand und seine Geschichte aufmerksam wurden. Für dieses Objekt lagen Restitutionsersuchen seitens der Erbengemeinschaften vor und befanden sich bei der zuständigen Behörde für Kultur und Medien in der juristischen Bearbeitung. Am 10.6.2024 wurde der Kopf der Buddha-Skulptur restitutiert.
Die Ergebnisse des Projekts werden über die museumseigene Website, im Rahmen der sukzessiven Onlinestellung der Sammlungen sowie in einem öffentlichen Vortrag veröffentlicht.
Das Forschungsprojekt wird vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert und abschließend in der Forschungsdatenbank Proveana dort einsehbar sein. Grundlage der geförderten Provenienzforschung zu NS-Raubgut sind die Washingtoner Prinzipien von 1998, zu deren Umsetzung sich die Bundesrepublik Deutschland mit der Gemeinsamen Erklärung 1999 bekannt hat.
Kontakt:
Jana C. Reimer
Provenienzforschung NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut
fon +49(0)40/428 879–551
mail janacaroline.reimer@markk-hamburg.de
Projektlaufzeit: 1. Juni 2021 bis 31. Mai 2023
Gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste